Wie fotografiere ich…

In der Tradition zu Malerei und Theater bewegt sich reflektierend suchend meine Fotokunst. Das Spannende bleibt für mich dabei die Suche nach den geeigneten Mitteln,

ohne die Fotografie aus den Augen zu verlieren, aber dennoch die altüberlieferten Techniken bewundernd zu rekonstruieren versuchend und dabei ausweichende und mögliche Ersatztechniken verwendend. Es bleibt ein Weg, kein Ziel. Denn mit dem Ziel wäre ein Ende der Entwicklung und der kreativen Sprachlichkeit erreicht, das ein Erstarren in der Kunst, eine Unbedeutendheit des Künstlers zur Folge hätte.

Wenn ich meinen Stil beschreiben soll – sollte ich mich lösen von Worten, auflösen in Bildern, Gerüchen, Erinnerungen – Zeitlosigkeit.
Ich höre Musik, das Vorspiel von Parsifal, den zweiten Satz von Bruckners Achter, Max Richters Filmbegleitungen, das Regnen des Wassers auf die Erde, das Wehen herbstlicher Winde.
Dann sehe ich den Menschen oder die Idee eines Bildes und der Drang, ihn oder sie in die ihm oder ihr zupassenden Elemente einzubetten, entsteht und ich beginne im Kopf eine Bühne für diesen einen Menschen, für diese Idee zu entwerfen, zu bauen, mit Licht zu beleben, und ich probe in Gedanken ein für ihn oder sie geschriebenes Stück, und ich probe es in der Freiheit des eigenen fantastischen Sinnens.

(Und dann, wenn ich ihm begegne, dem Menschen, und das sind sie: Menschen, und das hat eine tiefe Bedeutung, dann hoffe ich, dass ein Universum das fertige Werk wiederholt und ich beobachte nur noch, verwundert, dass der Mensch die Proben vergessen hat, deren Teil er doch nicht war. Und ich beobachte und versuche das Gewirr an Skizzen und übriggebliebenen Aufführungsideen ihm zu erklären, versuche, ihn zu sehen, versuche zu kontrollieren, ob ich ihn sehe, ob meine Inszenierung die Richtige war, sie in sich schlüssig war und ist und bleibt.

Wenn alles dies glückte, dann erhebt es den Menschen über sich und er lächelt innen, ganz leise, und sieht sich ohne Furcht.)

Und ich beobachte

Das Theater als Spiegel der Welt ist der Raum für die Dinge, die ich fotografiere. Für mich ist die Bühne ein gerahmter Ort, in dem die schönsten und schrecklichsten Geschichten bewegt und unbewegt erzählt werden können. Meist bewegt.
Mein ganzes Leben habe ich versucht, die Gesetzmäßigkeiten dieses Ortes zu begreifen, mich mit ihnen auseinanderzusetzen, sie zu lernen und anzuwenden. Ich bin Sänger geworden, Regisseur und Ausstatter und ich verstehe mein Leben durch die Kunst, die in einem Rahmen dieses Leben zu spiegeln vermag.

Insofern bediene ich mich wo es mir immer möglich ist der Mittel des Theaters, der Bühne (als Aufführungsort verstanden), der Darstellung. Ich schaffe einen Raum für meine Bilder, oder ich suche einen Raum, der dem entworfenen gleicht, oder ich finde einen Raum, der mein Bild in sich trägt (Raum als Ort des Bildes).
Ich versuche meine Bilder inhaltlich vorher zu fassen, damit ich sie nicht nachher erschaffen muss. Ich bin wie auf der Bühne der Mensch der Planung und Probe und Beobachtung; Improvisation gehört dazu, aber als Mittel der Rettung.
Ich sehe Geschichten in den festgehaltenen Nus, die sich im Regelfall ohne spezifische Technik erzählen lassen. Und dennoch ist es ein Wechselspiel aus Probenmomenten und fertigen Inszenierungen.

Ich beobachte eine Manifestierung: Die Hervorhebung der unsichtbaren Grenze im Theater zwischen Zuschauer und Darsteller. Ich liebte diese Grenze stets, die nur von den theatertypischen Gerüchen des sich öffnenden Vorhangs übertreten ward: Den Gerüchen der Schminke, der verbrennenden Filter, der staublastigen Soffitten und der schweißdurchjahrten Kostüme.

In meinen Bildern baue ich diese Grenze mit unsichtbar, sichtbaren Hilfen: Den Unschärfen, den Zwischenmaterialien Spiegel, Glas, Filter, Gaze und und transparenten Stoffen. Und öfter, mit wachsender Sehnsucht nach der Theaterwelt, entwerfe ich wieder eine Korrektur mit Farben, Lacken, Schichten aus analogen Materialien (wie Schellack) oder der echtzeitsituationgeschuldeten Aufführungsveränderung durch Filme (besonders Sofortbildfilme).

Nicht greifbar bleibt die Renitenz gegen alles, was einem aufgedrückt werden soll, wie ich zu fotografieren, zu inszenieren habe.
Ich weiß noch immer: Theater braucht das Publikum und sollte es niemals ignorieren; aber das Publikum braucht auch Theater, um zu funktionieren.
Bilder sind zwar existent ohne Publikum, aber relativ sinnlos. Kunst ist zwar existent ohne Publikum, aber wie sinnvoll dann?
Es bleibt eine Grenzwanderung, immer eine Erneuerung, eine Neugier besonders, und eine Liebe zur Tat und zum Darzustellenden.

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