Was fotografiere ich.

Theater kann für mich nicht nur bedeuten das, was auf der Bühne stattfindet oder das, was ich für die Bühne ausstatte.

Die Durchmischung in der Arbeit findet für mich nicht nur in den bestehenden Arbeitsweisen der Sparten statt, dass also alle mit Regie oder Choreografie arbeiten und so im vornherein das fertige Werk schaffen und nicht oder wenig nachträglich verändern, es ist auch die thematische Durchdringung: So ist wohl die Fotografie nicht mehr als eine pausierte Theatervorstellung mit dem Vorteil, einen genauen Blick auf ihre Aussagen und die der jeweiligen Künstler oder des jeweiligen Künstlers zu werfen.
Als aus medizinisch-theologischen Haushalt stammend habe ich immer den Vergleich zwischen Religion und Theater ziehen können und wurde immer gern vor die Aussage gestellt, dass Kirche im Grunde auch Theater sei. Anders herum lernte ich immer, dass Theater die religiösen Bedürfnisse einer Gruppe Menschen zu erfüllen in der Lage ist, es mit seinen Ritualen ähnlich agiert und sowieso, wo die Kirche das Leben erleichtern soll, das Leben erklärt, kommentiert und also auf seine Weise unbedingt auch zur Erleichterung beiträgt. Vielleicht ein wenig mehr auf dem Weg einer Katharsis, wo Kirche mehr stumpf macht. Aber damit hängt die Bilderkunst zwischen beiden: Dass sie in ihrer Katharsis kontemplativ macht.

In meiner Bildsprache suche in nun, als zeitliches nun, die Themen durch Fotografie theatralisch real abzubilden, dann mit Mitteln der Malerei, die auch die Mittel des Bühnenbild-und Kostümentwurfs sind, ästhetisch zu erläutern. Meine Erfahrung als Regisseur hilft, die inneren Haltungen der Darsteller nach außen zu kehren und in einem für das Werk notwendigen Maß zu steuern.

Eine weitere Ebene ist der ständige Wunsch dadurch, durch die malerische Bearbeitung, eine unikatäre Werksituation zu konstituieren, die der Einmaligkeit einer Theateraufführung ähnelt, die ja auch zwar vorbestimmt, aber in Durchführung stets unberechenbar bleibt.

Und schließlich wird damit die Berufung auf Tradition der künstlerischen Arbeit praktiziert, indem ich immer den Versuch in mir trage, den direkten Kontakt zum Schaffensprozess zu ersehnen. Analog zu arbeiten, wann immer es möglich wird. Aber auch die Analogtätigkeit wie eine theatralische Zeitenwiderspiegelung zu simulieren, zu spielen, in der allein bestimmte Tätigkeiten denen alter Produktionstechniken ähneln. Da eben nicht nur die Malerei, auch beispielsweise die Nachahmung alter Entwicklungsvorgänge wie das Schwenken der Glasplatten unter Wasser oder das Verteilen der Chemikalien durch fließende Bewegung (Choreografie) auf der Glasoberfläche, die Erstarrung dessen zeigt sich als harzene anschließende Schicht aus Schellack; auch ein Signum für die tradierte Musikwiedergabe durch Schallplatten.

Im Hinblick darauf, dass bildende Kunst abgrenzend zur darstellenden Kunst definiert wird, wobei ein tragendes Definitionsmerkmal der zeitliche Verlaufsunterschied zu sein scheint, widerspreche ich hier ganz eindringlich. Es ist durchaus nicht möglich ein Kunstwerk der bildenden Künste, wie eine Malerei, eine Fotografie oder ähnliches, in Dialog mit einem Betrachter zu bringen, ohne dass der Zeitverlauf eine darstellende Kunstsituation evaluiert. Die Regungen im Betrachter, der ebenso als Zuschauer fungieren muss, lassen sich wohl kaum als stationär beschreiben. Und schon weil das Werk hoffentlich eine Reaktion, besser noch eine Reflexion nicht nur bewirken soll, sondern in jeglicher Form auch bewirken muss, tritt eine der Begriffserklärung der darstellenden Künste immanente Situation zwangsläufig ein.
In diesem Sinne zielt meine Arbeit auch auf Verdeutlichung dieses Sachverhaltes.
Nicht nur dass, wie oben bedeutet, Theater und seine Formen ja auch immer der bildenden Künste zur Umsetzung bedarf, also eben auch umgekehrt bildende Künste bergen immer den Aspekt der Darstellung in Art der darstellenden Künste.

Ich unterscheide bei meiner Fotografie nicht nach den schubladengefachten Bereichen. Die Frage „Können Sie auch…? Ich dachte, Sie machen nur Kunst!“ strengt auf Dauer sehr an und spiegelt das immer verkümmertere Bewusstsein für geisteskünstlerische Leistungen.

Ich möchte explizit nochmal darauf hinweisen und mich beklagen: Wenn ein Mensch, ein Betrachter meiner Bilder, oder auch ein Betrachter jedwelcher Bilder, versucht, diese in eine Sparte einzuordnen, dann spricht daraus doch zuallererst der Wunsch, eine Sicherheit in der eigenen Meinung zu erlangen. Kategoriendenken vereinfacht die Verhaltensmuster.

Wenn ein Bild zur Portraitfotografie gehört und ein Kopf eines Menschen dominant zu erkennen ist, seine Persönlichkeit sogar darstellbar gewesen zu sein scheint, dann ist es ein Portrait. Wenn ein Portrait diesen gesetzten Rahmen verlässt, dann versucht man es sofort in ein anderes Schema einzuordnen, in die Peoplefotografie, die Modefotografie, sollte der Mensch auf dem Bild nackt sein, gar in die Aktfotografie.
Auch der Darstellungsstil wird in die für eine Kategorie allgemein vereinnahmten Kriterien eingeordnet: Analoge Fotografie gilt unterdessen oft als künstlerischer, schwierig in die Modefotografie einzuordnen; wenn, dann deswegen, weil ein prominenter Modeschöpfer oder Fotograf, seine Handschrift hinterlässt; da dann wieder akzeptiert.
Das Motto „Die Ausnahme bestätigt die Regel“ scheint auch hier Gültigkeit zu beweisen.

Das Durchmischen aller Kategorien, aller Techniken, aller persönlichen Stilistiken wird abwertend betrachtet und führt zum Ausschluss aus dem angenommenen „Inner Circle“.

Da hingegen empfange ich aber durchaus bei allen Angeklagten den Rat: Bleib Du selbst. Bleib bei Deinem Stil.
Ja, wer auch sonst? Wo auch sonst?
Unser zivilisiertes hochgezüchtetes Gehirn scheint wohl so gar nicht mehr in der Lage sein zu wollen, interstrukturell und interexistenziell denken zu können.
Wie ich es oben bereits erläuterte, fängt für mich die künstlerische und damit denkleistungsabhängige Arbeit dort an, wo ich in der Lage bin, mich aus meinen gewohnten Sicherheiten zu befreien und Seinszustände zu verquicken, die unverquickbar erscheinen.

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